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Schnell eingebaut, aber nicht barrierefrei: Die Tücken von Accessibility Overlays für Ihre Website

07.07.2025 • aktualisiert am 08.07.2025

Warum technische Helferlein oft nicht (ein)halten, was sie in Sachen Barrierefreiheit versprechen. Und was Sie stattdessen tun sollten.

Digitale Barrierefreiheit wird durch das im Juni 2025 in Kraft getretene Barrierefreiheitsgesetz für Unternehmen zunehmend verpflichtend. Verlockend ist daher die Suche nach einer schnellen, möglichst günstigen Lösung, um die Website oder den Online-Shop barrierefrei zu machen. Sogenannte Accessibility Overlays versprechen genau das: mit wenigen Klicks wird der Online-Auftritt barrierefrei und somit gesetzeskonform. Eine trügerische Sicherheit, vor der die Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs, das European Disability Forum (EDF) sowie eine Studie aus 2023 ausdrücklich warnen.

Wir bringen etwas Licht ins Dunkel und verraten in diesem Artikel, was Accessibility Overlays sind und warum sie meist nicht die Barrierefreiheit mit sich bringen, für die sie beworben werden.


Quicklinks

Was sind Accessibility Overlays überhaupt?

Accessibility Overlays sind Software-Tools, die auf einer bestehenden Website oder einem Online-Shop eingebunden werden. Meist handelt es sich um kleine Code-Snippets oder Plugins, die nachträglich Funktionen hinzufügen sollen, um Barrieren für Menschen mit Behinderungen zu reduzieren.

Die Anbieter versprechen eine einfache Lösung: Statt die Website technisch komplett barrierefrei zu gestalten, soll das Overlay »von außen« die Zugänglichkeit verbessern. Eine schnelle und günstige Abkürzung?

Wie sehen solche Overlays aus?

  • Toolbar-Overlays: Einblendbare Bedienleisten, mit denen Nutzer:innen Schriftgrößen, Kontraste oder Farben anpassen können.
  • Screenreader-Overlays: Tools, die versuchen, Inhalte automatisch für Screenreader lesbarer zu machen.
  • Farbanpassungen oder Vorlesefunktionen: Overlays bieten oft Funktionen wie Text-to-Speech, größere Mauszeiger oder spezielle Farbschemata für bessere Lesbarkeit.

Solche Tools klingen zunächst praktisch – gerade für Unternehmen ohne technisches Know-how. Doch die Frage ist, ob sie halten, was sie versprechen.

Warum Overlays so beliebt erscheinen


Viele Unternehmen greifen zu Overlays, weil sie:
  • schnell einsetzbar sind. Sie können oft binnen Minuten eingebunden werden.
  • Vergleichsweise günstig erscheinen, insbesondere im Vergleich zu einer Überarbeitung der Website.
  • Wenig technisches Wissen erfordern. Die Anbieter werben damit, dass kein großer Programmieraufwand nötig sei.

Das sind auch die Gründe, weshalb diese Erweiterungen sich rasch verbreiten. Sie vermitteln ein Gefühl von Sicherheit und einfacher Lösung. Fast schon zu schön, um wahr zu sein…

Weshalb Accessibility Overlays Ihre Website »verschlimmbessern« können

Schnell eingebaut, wenig Aufwand, scheinbar barrierefrei. Vor dieser vermeintlich einfachen Lösung warnen Expert:innen, wie die Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs oder das European Disability Forum (EDF).

Technische Grenzen


Overlays verändern meist nur das äußere Erscheinungsbild einer Website, lösen aber keine tieferliegenden Probleme in der Programmierung. Laut dem Overlay Fact Sheet bleiben über 70 % der Barrieren trotz Overlays bestehen. Auch in einer Masterarbeit von Daniela Kubesch (2024) wird darauf hingewiesen, dass viele Overlays zwar visuelle Anpassungen ermöglichen, aber keinerlei Auswirkung auf fehlerhaften HTML-Code oder fehlende semantische Strukturen haben. Diese Strukturen sind für Screenreader und andere Hilfsmittel essenziell.

Rechtliche Risiken


»Ich installiere schnell diese Erweiterung und bin dann rechtlich abgesichert.« Eine trügerische Sicherheit: Laut der Europäischen Kommission erfüllen Overlays allein nicht die Anforderungen des European Accessibility Act. Sie als Unternehmen bleiben verantwortlich, wenn Ihre Website trotzdem nicht barrierefrei nutzbar ist.

Viele Overlay-Anbieter binden externe Dienste ein und sammeln oft Daten ohne vollständige Transparenz. Ein vermeidbares Datenschutzrisiko, welches zu berücksichtigen ist.

Schlechte Nutzer:innen-Erfahrung


Menschen mit Behinderungen nutzen oft eigene Hilfsmittel, die durch Overlays gestört oder blockiert werden. Die Hilfsgemeinschaft berichtet, dass viele Nutzer:innen Overlays gezielt deaktivieren, weil sie die Bedienung erschweren.

Auch Daniela Kubesch (2024) kommt in ihrer Masterthesis zu diesem Schluss: In Usability-Tests zeigte sich, dass Overlays oft unerwartete Pop-ups oder zusätzliche Navigationsleisten einblenden, die Nutzer:innen (unabhängig, ob die Unterstützung benötigt wird oder nicht) eher verwirren. Über 50 % der getesteten Overlays waren zudem mit Screenreadern nur eingeschränkt nutzbar oder störten die Tastaturnavigation erheblich. Kubesch beschreibt dies als ein »Paradoxon der gut gemeinten Hilfe«, die in Wirklichkeit zusätzliche Barrieren schafft.

Außerdem können Overlays die Ladezeit der Website spürbar verlängern. Ein Performance-Einbruch mit möglichen Folgen für Ihre Leistung in der Suchmaschine und bei Ihren Benutzer:innen.

Warum echte Barrierefreiheit mehr bringt als Overlays und wie Q2E dabei unterstützt

Accessibility Overlays lösen somit meist nur oberflächliche Probleme. Wirklich barrierefreie Websites oder Webshops entstehen, wenn Barrierefreiheit von Anfang an in die Gestaltung und Entwicklung einbezogen wird – statt sie später künstlich »nachzurüsten«. 

Muss meine Website jetzt neu aufgebaut werden?


Nein. Wir bei Q2E Online-Agentur beschäftigen uns seit 2018 intensiv mit barrierefreien Websites und stellen immer wieder fest: Oft reichen bereits kleinere technische Anpassungen, um eine Website für viele Menschen zugänglicher zu machen.

Gerade mit Ihrem EDWIN CMS sind Sie in guten Händen. Neuere Systeme (ab etwa 2020) sind bereits an der Basis barrierefrei. Hier können kleinere technische Korrekturen entlang des aktuellsten Standards und Kontrastanpassungen bereits viele Barrieren aus dem Weg räumen. In einzelnen Fällen kann es aber wirtschaftlicher sein, einen Neustart Ihres Webauftritts zu wagen und mit einem frischen System durchzustarten.

Nichtsdestotrotz sind auch Sie als Redakteur:in dazu verpflichtet, an der Barrierefreiheit Ihrer Website beizusteuern.

Digitale Barrierefreiheit endet nicht bei der Technik


Ein großer Hebel für mehr Barrierefreiheit liegt außerdem in den Inhalten selbst. Viele Barrieren entstehen, weil Texte zu kompliziert geschrieben sind, Bilder keine Alternativtexte haben oder Überschriften unstrukturiert verwendet werden. Deshalb ist es wichtig, auch Redakteur:innen zu schulen, damit sie Inhalte so erstellen, dass alle Nutzer:innen sie problemlos erfassen können.

Seminar-Tipp: Barrierefreier Content



Für alle, die ihre Inhalte barrierefrei gestalten möchten, bieten wir bei Q2E das Seminar »Barrierefreier Content« an. Dort zeigen wir praxisnah, wie Webinhalte so aufbereitet werden, dass sie für alle Menschen zugänglich sind und gleichzeitig die gesetzlichen Vorgaben erfüllen.

zu den Seminaren

Kurz zusammengefasst

Accessibility Overlays klingen verlockend, weil sie eine schnelle Lösung für barrierefreie Websites versprechen. Doch sie beheben viele Probleme nicht wirklich, schaffen manchmal sogar neue Hürden und bieten keine rechtliche Sicherheit.

Wir sind überzeugt: Barrierefreiheit gelingt am besten, wenn Technik und Inhalte von Anfang an so gestaltet werden, dass alle Menschen gut damit zurechtkommen. Dafür braucht es oft keine Komplett-Relaunches, sondern gezielte Anpassungen und das Wissen, worauf es dabei ankommt.

Dafür braucht es realistische Einschätzungen und praxistaugliche Maßnahmen. Dabei greifen wir auf die Erfahrung von Theresa Memelauer und Christoph Hahn, unseren beiden Certified Web Accessibility Experts, zurück. So gelingt es, Websites nicht nur gesetzeskonform, sondern für alle Nutzer:innen zugänglich zu machen.

Portrait: Theresa Memelauer
Über die Autorin · Theresa Memelauer

Die Medientechnikerin (FH) und Frontend-Entwicklerin Theresa ist seit 2010 in der Agentur. Als »Certified WebAccessibility Expertin« beschäftigt sie sich damit, wie Websites bestmöglich nutzerfreundlich (User-Interface-Design) und im Sinne der Barrierefreiheit im Internet für alle zugänglich werden. Sie setzt Webprojekte mit dem hauseigenen CMS EDWIN gemäß den aktuellen Richtlinien nach WCAG um.

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Portrait: Isabella Göber-Voak

Über die Autorin · Isabella Göber-Voak

Mit ihrer Berufserfahrung und Ausbildung im Bereich Kommunikation und Digital Marketing unterstützt sie mit Herzblut unsere Kund:innen bei allen Themen rund um Content, Vermarktung und Konzeption. Im Projektmanagement und in der Agentur-Kommunikation geht sie dabei voll auf.

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Quellen und Inspiration, zum weiterlesen perfekt

European Disability Forum (2023): Accessibility overlays don’t guarantee compliance with European legislation. Online unter: https://www.edf-feph.org/accessibility-overlays-dont-guarantee-compliance-with-european-legislation/, letzter Zugriff am 04.07.2025 [englisch]

Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs (2023): Overlays: Schnelle Lösung oder neue Barriere? Online unter: https://www.hilfsgemeinschaft.at/aktuelles/presse/detail/overlays, letzter Zugriff am 04.07.2025

Kubesch, Daniela (2024): The Impact of Web Accessibility Overlays on the Usability and User Experience for People with Permanent Visual Impairments, Salzburg University of Applied Sciences. Online unter: https://overlays.dnikub.dev/, letzter Zugriff am 04.07.2025 [englisch]

Overlay Fact Sheet (2023): Accessibility Overlay Fact Sheet. Online unter: https://overlayfactsheet.com/en/, letzter Zugriff am 04.07.2025 [englisch]

The Next Web (2023): European Accessibility Act risks becoming a box-ticking exercise. Online unter: https://thenextweb.com/news/european-accessibility-act-becoming-box-ticking-exercise, letzter Zugriff am 04.07.2025 [englisch]

AdasiteCompliance (2023): Why Overlays Are Not the Answer to Web Accessibility. Online unter: https://adasitecompliance.com/why-overlays-are-not-answer-web-accessibility/, letzter Zugriff am 04.07.2025 [englisch]

WACA – Web Accessibility Certificate Austria (2024): Barrierefreie Websites – Anforderungen und Prüfverfahren. Online unter: https://www.waca.at/, letzter Zugriff am 04.07.2025

Europäische Kommission (2024): Web Accessibility Policy. Online unter: https://digital-strategy.ec.europa.eu/en/policies/web-accessibility, letzter Zugriff am 04.07.2025 [englisch]